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Rabulistik und das Erwachet vom November 2015
Das Erwachet vom November 2015 wurde dem afghanischen Analphabeten vor dem Asylantenheim "geschenkt". Er brachte es zum Deutschunterricht mit. So habe ich das zweifelhafte Vergnügen, die neue Rhetorik dieses Blättchens zu analysieren.
Ich finde eine argumentative Technik, die ich Rabulistik nenne. Das kommt aus dem Lateinischen rabere "toben" und steht für Spitzfindigkeiten oder Wortklauberei in Verbindung mit spitzfindiger, kleinlicher Rechthaberei. Oft wird dabei der wahre Sachverhalt verdreht.
Verdeckte Fehlschlüsse und andere rhetorische Tricks gehen bis an die Grenze der Täuschung, Irreführung oder Lüge.
Zum Repertoire gehört auch persönliche Beleidigung, falls man merkt, dass der Gegner überlegen ist. Man verzichtet darauf in der Sache objektiv zu argumentieren und richtet seinen Angriff auf den Gegner, indem man kränkend, hämisch, beleidigend wird.
Warum erkenne ich in dem Pamphlet genau diese Techniken?
Einige Beispiele sollen als Kostprobe dienen:
Das Titelbild lässt keinen Zweifel zu, welche "Religion" gemeint ist. Der Prediger hat nur fünf Personen in seiner Kirche als Zuhörer. Ich finde, das Bild ist ein hämischer Angriff.
Auf den folgenden Seiten wird eine Religionsflucht beschrieben, die angeblich von der Bibel so vorausgesagt ist. Diese Aussage ist eine Verdrehung des wahren Sachverhaltes. Denn einige evangelikale Religionsgemeinschaften haben einen enormen Zulauf. Die kränkenden und beleidigenden Behauptungen zu Moral und Geld, die allesamt mit Bibelzitaten belegt werden, die haltlose Behauptungen in diesem Zusammenhang sind, zielen eindeutig darauf ab, selbst Recht zu behalten.
Die Beschimpfung der Religionsgemeinschaften als "Babylon die Große", die sie als Hure bezeichnen und mit der baldigen Vernichtung bedrohen, ist mehr als beleidigend.
Unverfroren wird mit Fehlschlüssen aus den angeführten Bibelzitaten die eigene, herausgehobene Stellung bei Gott beschrieben.
Ein Zitat von Seite 6 mag das belegen:
"Wenn Babylon die Große vernichtet wird, werden alle verschont, die gehorsam aus ihr geflohen sind, um Gott "mit Geist und Wahrheit anzubeten" (Johannes 4:23). Sie hoffen darauf zu erleben, wie die "Erkenntnis Jehovas" die Erde erfüllt, so "wie die Wasser das ganze Meer bedecken" (Jesaja 11:9).
Gott kann "nicht lügen" (Titus 1:2). Darum wird es die falsche Religion mit all ihren schlechten Früchten bald nicht mehr geben. Der wahre Glaube aber wird sich bis in alle Ewigkeit immer weiter entfalten!"
Seit mehr als 100 Jahren ist also das Ende bald da.
Damit nur ja niemand von der drohenden Vernichtung ausgenommen ist, werden auf den Seiten 14 und 15 nochmals beleidigende Behauptungen zu den Religionsgemeinschaften aufgezählt und "zu guter Letzt wird sich Gott den politischen Mächten zuwenden", sowie "Zusätzlich zu den Voraussagen über die Weltverhältnisse zeichnet die Bibel auch ein Gesellschaftsporträt der "letzten Tage".
Jehovas Zeugen haben schon so oft ihre Vorhersage des "baldigen Endes" korrigiert und hinausgeschoben. Es geht bei ihrer Rhetorik nicht um die Wahrheit. Es geht einzig und allein um kleinliche Rechthaberei. Dafür wird der Sachverhalt verdreht.
"All diese Zustände kennzeichnen die Epoche, die zu der Zeit rund um den Ausbruch des 1. Weltkriegs im Jahr 1914 begann. Seit diesem Jahr wurde das Reich Gottes nach und nach in jedem Winkel der Erde bekannt gemacht. Jehovas Zeugen betrachten es als eine Ehre, mit diesem Predigtwerk in Verbindung gebracht zu werden".
Diese Aussage mit dem Bild von einer wütend protestierenden Menge und dem Hinweis:
"Wacht daher beharrlich, denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde". »Die heutige böse Welt wird bald "verschwinden", schürt Endzeitphobie und soll die Gruppe als sicheren Hort bewerben.
Meine Großmutter sagte: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht."
Hier hat sie sich vielleicht doch geirrt, denn diesem Verein glauben die Menschen immer noch, obwohl es so viel gibt, was eindeutig nicht wahr sein kann.


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Wie funktioniert Manipulation?

Manipulieren Jehovas Zeugen ihre Mitglieder?

Wenn ja, was ist daran schädlich?

Ich möchte die Antworten mit meiner persönlichen Erfahrung verknüpfen.

Nach meiner Trennung von dieser Bewegung suchte ich nach Erklärungen dafür, warum ich so lange gefangen blieb. Ich las verschiedene wissenschaftliche Veröffentlichungen und erkannte, dass ich keine Ausnahme war. Mit gut funktionierender Manipulation wurde meine Immunisierung gegen Kritik von Innen und Außen erreicht. Meine Erfahrung ist auf andere totalitäre Gruppen übertragbar.

Bei den Worten Sekte, religiöse Sondergemeinschaften, Psychokulte, reagieren viele eher mit Desinteresse. Sie denken: Das betrifft mich nicht, ich interessiere mich nicht für Sekten.

Die Bestsellerautorin und Professorin für klinische Psychologie, Singer schreibt in ihrem Buch „Sekten“:  

In Wirklichkeit ist jeder von uns anfällig für Schmeicheleien, Täuschung und Verführung, wenn er traurig oder bedürftig ist. In der Regel sind die Menschen nicht Suchende, sondern die Sekte geht aktiv und aggressiv vor, um Anhänger zu werben.“

Meine Eltern waren keine Suchende nach einer neuen Religion. Im Gegenteil - mein Vater wollte nichts mehr mit Religion zu tun haben. Aber sie waren Suchende in dem Sinn, wie es Viktor Frankl sagt. Suche nach dem Sinn, nach Halt, Geborgenheit, Anerkennung, wie es unserer menschlichen Natur entspricht. Das nützen Seelenfänger zu ihren Gunsten aus.

Oft kommt der Einwand: Bei Zeugen Jehovas kann man doch nicht von „gefährlich“ sprechen. Sie tun doch offenbar niemandem etwas. Sie stehen mit ihren Schriften stumm auf der Straße. An den Türen verabschieden sie sich freundlich, falls man sagt: „Kein Interesse“.

Ulrich Rausch, der Verfasser des Buches: „Die Zeugen Jehovas, ein Sektenreport“ schreibt dazu folgendes:

„Sie sind vielleicht deshalb gefährlicher als Scientology oder andere Gruppen, weil jeder sagt: Gut, sie sind ein bisschen ‚spinnert‘, vielleicht ein bisschen sehr engagiert, aber das bewundert man in gewisser Weise auch, weil man das selber für die eigene Überzeugung nicht tun würde, so viel Zeit und auch so viel Beschimpfung auf sich zu nehmen…“

Aus eigener Erfahrung kann ich dem nur zustimmen. Zu mir hat so manch einer gesagt:« ich bewundere Sie, das könnte ich nicht«.

Heute bin ich nicht mehr stolz darauf, dass ich so viele Jahre blind gehorcht habe. Die Werbung mit einem besonders guten Verhalten ist Teil des Schulungsprogrammes.

Als Beispiel mag ein Zitat aus dem Wachtturm vom 15. 12.1992 Seite 16 Abs. 9:
"Mit einem geeinigten Herzen wandeln", dienen:

"9 Unsere gewinnende Freundlichkeit, unsere geschmackvolle Kleidung und unsere sonstige äußere Erscheinung sowie unsere nette, anständige Art zu reden - all das sollte uns und unsere Botschaft für aufrichtige Menschen annehmbar machen. Vermeiden müssen wir Schlampigkeit, unbescheidene Kleidung, Umgang, der uns in die Welt hineinziehen könnte, und den lockeren, gewissenlosen Lebenswandel, der in der Welt um uns herum zu beobachten ist. Da wir "ein Schauspiel geworden [sind] für die Welt und für Engel und Menschen", stehen wir jeden Tag 24 Stunden im Dienst, indem wir als vorbildliche Christen dienen und leben (1. Korinther 4:9; Epheser 5:1-4; Philipper 4:8, 9; Kolosser 4:5, 6). Deshalb benötigen wir ein geeinigtes Herz."

Ich möchte nicht vor Den Zeugen Jehovas warnen. Es sind in der überwiegenden Mehrzahl ehrlich gläubige Menschen, die sich für eine Ideologie verausgaben. Sie wurden  glauben gemacht, dass es die Wahrheit ist.

Es ist ihnen nicht bewusst, dass sie manipuliert und getäuscht werden.

Der Glaube der Religionsgemeinschaft fällt unter den Begriff „Ideologiereligion“.

Sie personifiziert bestimmte Begriffe wie:
DAS VOLK GOTTES,
sie verkünden DAS REICH GOTTES,
sie sind in DER WAHRHEIT. Sie glauben nicht einfach den wahren Glauben zu kennen.
DIE WAHRHEIT ist absolut und damit immun gegen Kritik.
Ihre Führer sind DIE LEITENDE KÖRPERSCHAFT. Da werden nicht die einzelnen Personen gesehen. Die Führung ist als unteilbare Einheit personifiziert.

Damit der Einfluss der totalitären Führer garantiert ist, bedienen sie sich der drei Säulen der Manipulation.

Manipulation bei der
Mitgliederwerbung

Manipulation zur
Erhaltung der dauerhaften Mitgliedschaft


Manipulation zur
Abschreckung vor Ex-Mitgliedschaft


Die erste Stufe erfolgt durch die Werbung mittels Sozialisation:

Es wird die Illusion einer Wirklichkeit vermittelt die verlockend wirkt.



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Der Neue wird als Star willkommen geheißen und zunächst auf Händen getragen. Er bekommt alles, wonach er in seiner momentanen Situation sucht: Aufmerksamkeit, Lob, Anerkennung, einfache Lösungsversprechen für seine Probleme, Antworten auf die Sinnsuche.

Die Gruppe stellt sich als verlockende, einzigartige Gemeinschaft dar, bei der man gerne auch anerkanntes Mitglied sein möchte.

Werden nur dumme Menschen Neumitglieder?

Viele fragen sich, wie kann man diesen Lehren-Klamauk glauben?

Auch Akademiker, Künstler und Wissenschaftler sind empfänglich für die Werbung. Ein Hochschulstudium schützt nicht vor Fanatismus oder religiöser „Blindheit“. Ein Mensch mit höherer Bildung fühlt sich eher von der Aussicht geschmeichelt, zu einer auserwählten Elite zu gehören.

Die Erfahrung und wissenschaftliche Studien belegen, dass die Entscheidung für eine neue Glaubenslehre mit dem Gefühl getroffen wird. Das bedeutet, zuerst muss der Verstand so manipuliert werden, dass er seine Funktion als Prüfer und Überwacher von Entscheidungen verliert.

Mit anderen Worten das Ziel der Werber ist, eigene Gedanken des „Opfers“ zu verhindern, damit die fremden, neuen  Gedanken übernommen werden.

Wie dieses Ziel durch die Organisation der Zeugen Jehovas erreicht werden soll, ist aus einem „Rat“ in ihrem Wachtturm vom 15. Juli 1967 ersichtlich:

„Unter Studium mögen wir harte Arbeit, vor allem Sucharbeit, verstehen. In Jehovas Organisation braucht man jedoch nicht eine Menge Zeit und Kraft für Sucharbeit zu verwenden, denn es gibt in ihr Brüder, die mit dieser Arbeit betraut worden sind, um dir, der du hierfür nicht so viel Zeit hast, zu helfen. Diese Brüder bereiten den guten Stoff vor, der in der Zeitschrift ‚Der Wachtturm‘ und in anderen Publikationen der Gesellschaft erscheint.“

Durch die scheinbar liebevolle Begründung und die gewonnene Überzeugung, dass es sich um die reine Wahrheit handelt, entwickelt der Proband das Vertrauen und die Gewohnheit auf eigenes Denken und Forschen zu verzichten.

Die Sozialpsychologie kennt das Phänomen der Idiosynkrasie. Durch abweichende Begrifflichkeit verschiedener Worte wird das individuelle Verhalten verändert. Idiosynkrasien entwickeln sich aus einer emotionalen Miteinbeziehung heraus.

Die Glaubenslehre spricht das Gefühl an. Sie schaltet damit den Verstand aus. Das macht wehrlos gegenüber Idiosynkrasie. Das „Wir-Gefühl“ bestimmt das Handeln. Demagogen und Diktatoren bedienten sich dieser psychologischen Mittel.  Man denke an die Verwendung von Worten wie die ‚arische Rasse‘, den ‚Endsieg‘, das ‚tausendjährige Reich‘ und viele Andere. Blitzartig, fast reflexhaft entsteht das größte Triumph Gefühl der Gemeinsamkeit: Das ist Wahrheit, die einzige Wahrheit!

Jehovas Zeugen verwenden die Aussagen in ihrer Bibel als Dogma. Sie sagen, „die ganze Schrift ist von Gott inspiriert“. Damit machen sie jede Aussage gleich gewichtig. Jeden Bibeltext, den sie zitieren, gebrauchen sie als göttlichen Ausspruch. Damit sozialisiert sich die Leitung direkt mit Gott. Alle Lehren und Interpretationen der Schrift, die sie veröffentlichen, sollen als göttliche Aussprüche, gleichwertig mit den Aussagen der Bibel, geglaubt werden. Die Berufung auf die Bibel befriedigt die spirituellen Bedürfnisse der Suchenden. Es gibt scheinbar von Gott inspirierte Antworten auf die Sinnfragen. Eine gute Voraussetzung die späteren Anforderungen, sich für die Gruppeninteressen zu verausgaben.

Die Basis für neue Gedanken ist also starke Emotion: Angst, Furcht, Freude, Hoffnung. Bevor jemand einem Bibelstudium zustimmt, hat er womöglich ein Stimmungstief. Er reagiert emotional dankbar auf freundliche Zuwendung.

Die positive kognitive Wahrnehmung verhindert, dass neue ‚Erkenntnisse‘ vom Gehirn kritisch geprüft werden. Es akzeptiert kritiklos, weil Vertrauen keine Kritik nötig hat.

Die Art des Bibelstudiums erfordert kein eigenes kritisches Denken. Der Stoff ist in der Literatur vorgegeben. Er wird Absatz für Absatz laut vorgelesen. Anschließend die dazugehörige, vorgegebene Frage gestellt.  Die vorgegebene Antwort ist dem Abschnitt zu entnehmen und laut zu wiederholen. Sehen, sprechen, hören fungieren wie Verstärker. Das ist die Manipulation durch Umprogrammieren der Sinne.

Die Botschaft lautet bei Jehovas Zeugen: Nur wir haben die Wahrheit, Informationen sind nur zuverlässig, wenn sie von uns stammen. Eigene Nachforschungen unterlassen, denn alle Ex-Zeugen sind Lügner. Sie sind Werkzeuge des Teufels. Der Teufel ist der Gott der Welt um uns herum, darum ist alles böse, was nicht zu uns gehört. Er kann sogar unsere Familie oder beste Freunde benützen, um zu verhindern, dass wir die Wahrheit erkennen, wird vorsorglich suggeriert, damit niemand auf die wohlmeinenden Warnungen Angehöriger hört.

Wer sich auf ein Studium der Wachtturm-Schriften einlässt, erkennt womöglich die Risiken und Nebenwirkungen nicht. 

Die zweite Stufe der Manipulation beginnt nach der Taufe – dem offiziellen Beitritt zur Gemeinschaft. 

Das Ziel ist die Erhaltung der dauerhaften Mitgliedschaft durch Immunisierung gegen Kritik von Innen und Außen.

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Die physische und psychische Ausbeutung nimmt ihren Lauf. Für viele der Einstieg in pathogene oder gesundheitsschädigende Überforderung. Es beginnt ein Leistungsdruck der erdrückt. Die Folgen sind schlechtes Gewissen und Versagensängste. Es entsteht ein Gefühl der Wertlosigkeit, das zu schweren Depressionen führen kann.  Das ist durchaus auch volkswirtschaftlich relevant.  Die Kosten  – Therapien,  Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung - trägt die Solidargemeinschaft. Vieles wäre durch bessere Information vermeidbar.

Über die Risiken und Nebenwirkungen von totalitären Kulten und Ideologie-Religionen muss darum verstärkt aufgeklärt werden.

Zu meiner Zeit als Zeugin Jehovas war es für mich nicht vorstellbar, dass mich die Wachtturm-Gesellschaft mit Mitteln der bewußten Manipulation beeinflusst. Ich war ehrlich gläubig, zu allen Menschen freundlich, fleißig und stets darum bemüht den guten Ruf meiner Religionsgemeinschaft nicht zu beschädigen. Es störte mich nicht, als etwas wunderlich zu gelten, wenn ich für meine Überzeugung mit den Wachtturm-Schriften auf der Straße stand.

Erst als ich begann, die Schriften genauer zu analysieren und die verwendeten Zitate zu untersuchen, kamen mir Zweifel an der Redlichkeit. 

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Ich nehme ein Beispiel: Ein Zitat aus dem Lexikon zu Bibel unter dem Stichwort „Kreuz“. Die Wachtturm-Lehre besagt, dass Christus nicht gekreuzigt wurde, sondern am Pfahl starb. Um das zu bestätigen, zitieren sie aus dem Lexikon mit dem Hinweis: „Es ist historisch gut belegt…“.

Der zitierte Satz beschreibt die „Annagelung“ der Füße und Hände. Sie unterschlagen den Verweis, dass die Beschreibung unter dem Stichwort „Kreuz“ im Lexikon steht und diese Methode sowohl bei einem Pfahl, als auch am Kreuz angewandt werden kann.

Die Berufung auf Historiker und das Lexikon erweckt den Anschein, dass „Außerbiblische Quellen“ die Lehrmeinung bestätigen. Wesentliche Informationen vorenthalten, empfinde ich als unredlich.

Auch die Selbstdarstellung zu ihrer Verfolgung im Dritten Reich machte mich nachdenklich:

Seit einigen Jahren gibt es Ausstellungen zu ihrer Verfolgung im Dritten Reich. Es werden Briefe aus den KZs präsentiert.  Es gibt ein Video mit dem Titel „Standhaft“ und der Presse werden Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Der Tenor ist, die Gemeinschaft der Bibelforscher, die heute Zeugen Jehovas heißen, seien die Einzigen, die standhaft Gegner Hitlers waren.

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In dem vorliegenden Artikel ist definitiv die Angabe falsch, dass nur Bibelforscher den lila Winkel zu tragen hatten.

Alle aus religiösen Motiven Internierten mussten den lila Winkel tragen.

Sie wurden unter dem Sammelbegriff „Bibelforscher“ geführt. Die „freien Bibelforscher“, die bis heute den Lehren Pastors Russell folgen, gehörten ebenso als Kriegsdienstverweigerer dazu wie die Quäker, die Nazarener oder die Siebenten-Tags-Adventisten, die Hitler ihre Gefolgschaft verweigerten.  Natürlich waren diese als Gruppe zahlenmäßig vergleichsweise gering.
Die Angaben basieren auf den Studien des Historikers Detlef Grabe, „Glaubensgehorsam und Märtyrergesinnung“. EZW-Text 145, 1999. Zu den Besonderheiten dieser Verfolgungsgeschichte, nach Besier/Vollnhals, „Repression und Selbstbehauptung“, 2003
Vertreter der Amtskirchen, die aus eigenem Entschluss und eigener Gewissensentscheidung die Anerkennung des NS-Systems verweigerten, wurden nicht als religiöse Verweigerer geführt. Sie hatten den roten Winkel zu tragen und waren der Gruppe der politischen Häftlinge zugeordnet.

Aus der Klassifizierung eines Unrechtssystems die eigene herausragende Rolle abzuleiten ist nicht nur unredlich, es ist beschämend. Die wirklichen Regimegegner, die ihrem eigenen Gewissen mutig gefolgt sind, werden so überheblich abgewertet. Die Opfer werden instrumentalisiert.

Das haben sie nicht verdient!

Obwohl ich heute die Redlichkeit dieser Organisation bezweifle, blieb ich 60 Jahre unter ihrem Einfluss. Wie konnte das passieren?

Meine Eltern gehörten zu der klassischen Zielgruppe der Sektenwerber. Sie waren einsam und bedürftig. Sie hatten alles verloren, was man an Verlusten erleiden kann. Materielle Habe, Glauben, Ansehen, soziale Bindungen, Freunde, Familienangehörige. Der Krieg steckte uns allen in den Knochen.

Das Versprechen war:

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Auch diese Gedanken werden Emotional vermittelt. Es gibt nur schwarz/weiß. Zeugen Jehovas sind die Guten, die anderen die Bösen. Jehovas Zeugen haben die Wahrheit, alle anderen lügen.

Sprache wird zur Manipulation benützt, indem man Worten eine andere Bedeutung gibt. Weil Jehovas Zeugen zu idiosynkrasiem Verhalten manipuliert werden, ist es ihnen nahezu unmöglich im normalen Leben die Wahrheit von der Unwahrheit zu trennen. Die kognitiven Prozesse in unserem Gehirn laufen in einer Sphäre ab, die wir nur schwer kontrollieren können.

Wir wollten nie mehr Flüchtlinge sein und nie mehr alles verlieren.

Wir wollten dem Versprechen glauben:

Bald wird Gott sein Reich aufrichten,  Sicherheit für Menschen und Eigentum  garantieren.

Wir akzeptierten den "Beweis":

Die Bibel: „Sie werden tatsächlich sitzen ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand  wird sie aufschrecken“

eine Abweichung von der Lehre, der Leitende Körperschaft ist nicht erwünscht. Die „geistige Speise“ soll die „Einheit“ fördern. Tatsächlich wird so die Einförmigkeit erzielt.

Um die Mitgliedschaft auf Dauer zu erhalten, ist es notwendig, das individuelle ICH in ein kollektives WIR umzuwandeln. Jehovas Zeugen sagen dazu: "Die neue Persönlichkeit anziehen".

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Der Autor Steven Hassan sagt: „Die Sektenidentität ist ein Klon“.

Diese Klon-Identität handelt mit dem »gut geschulten Gewissen«. Für die gründliche Schulung verwendet die Organisation sehr viel Zeit. Alle Lebensbereiche unterliegen Gruppenregeln. Es gibt nur richtig/falsch, schwarz/weiß. Wir haben die Wahrheit. Alle übrigen gehören zum "Weltreich der falschen Religion". Dieses untersteht dem Teufel. Die Vernichtung steht bevor.

Die Manipulation funktioniert, ähnlich wie bei den pawlowschen Hunden, mit der Methode Belohnung/Bestrafung. Für jede richtige Antwort oder Entscheidung wird anerkennendes Lob gespendet. Jede Abweichung wird mit einer Drohung oder Bestrafung quittiert.

Der Wunsch nach Anerkennung durch die Gruppe und die Erwartungshaltung der Gruppe ist der wirksame Gruppendruck.

In meiner „Verkündiger-Dienstkarte“, - in jeder Versammlung wird für jeden Zeugen Jehovas eine geführt, - stand als Gruppenzugehörigkeit: anderes Schaf. Akribisch genau wird die Tätigkeit des einzelnen Zeugen erfasst. Alle Stunden, Rückbesuche, Zeitschriften, Bücher ect. werden mit dem monatlichen Berichtszettel rapportiert und in die Karte übertragen. Jehovas Zeugen sollen sich wie die Schafe benehmen, die bereitwillig ihrem Hirten folgen. Die Verantwortlichen in den einzelnen Versammlungen, die auf etwa 120 bis maximal 150 Mitglieder begrenzt werden, nennen ihre Überwachungstätigkeit „Hirtentätigkeit“.

Das durch das sogenannte „Bibelstudium“ eingeprägte Wissen beeinflusst die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit. Wer durch ein solches Studium zu einem Zeugen Jehovas gemacht wird, hat eine Bewusstseinsveränderung durchgemacht.

Zweifel, Bedenken oder Kritik ist in einem totalitären System nicht erwünscht. Wer Kritik äußert, ist ein „Gegner“ oder "Feind". Um der Bestrafung der Ausgrenzung zu entgehen, sehen viele keinen anderen Ausweg als ein Doppelleben zu führen. Man stelle sich die psychische Belastung jener vor, die ständig in der Gefahr stehen erwischt zu werden!

Die Gruppe erwartet eine Gegenleistung für ihre Anerkennung.

Das ist folgerichtig: Die Gruppe wird darauf getrimmt, völlig übereinstimmend zu handeln.

Warum habe ich zugelassen, dass ich so gleichgeschaltet wurde? Es war die scheinbare Wahlfreiheit: Wollte ich dazugehören, musste ich freiwillig das tun, was im Wachtturm als Wille Jehovas übermittelt wird. Es wird geschickt verknüpft mit der höheren Instanz "Jehovas Willen". Stets hängt an einer Anweisung – die als „Rat des treuen und verständigen Sklaven“ bezeichnet wird, ein Bibelzitat. Sozusagen als Stempel und Unterschrift Gottes. Ich war gewissenhaft und verinnerlichte jeden Rat als verbindliche Handlungsanweisung. Dass der selbsternannte Sklave die Bibelübersetzung so verändert hat, dass sie die Wachtturm-Lehre stützt, hätte ich nicht für denkbar gehalten. Auch nicht, dass sie sogar nachweisbar  falsche Angaben zu ihrer eigenen Geschichte veröffentlichen.

Die Lehrautorität durfte nicht hinterfragt werden. Das gehörte zu der Methode der Immunisierung gegen Kritik von Innen und Außen. Meine Familie reagierte auch auf den Anspruch, die früheren Freunde zu meiden und den Kontakt zur Familie, die keine Zeugen werden wollten, einzuschränken. Wir beteiligten uns nicht mehr an den religiösen Festen der Familie oder an traditionellen Bräuchen wie Geburtstage, Kirchweihfeste, Landsmannschaftliche Treffen. Das reduzierte einen möglichen Einfluss, der Zweifel säen könnte. Damit kein Vakuum entstehen kann, werden die Gruppenzusammenkünfte Pflicht. Bei den großen, jährlichen Treffen, die sie Kongress nennen, entsteht ein euphorisches Gemeinschaftsgefühl, das die Bindung zur Gruppe festigt.

Wer ständig voll beschäftigt ist, hat wenig Zeit zum Nachdenken. So gilt die Devise: Wer den Segen Gottes erhalten möchte, muss ihn sich verdienen. Gott liebt einen fröhlichen Geber. Die Opfer dürfen nicht halbherzig sein. Man muss mehr als das Gewöhnliche leisten. Auch das wird mit passenden Bibeltexten als göttliche Anforderung deklariert.


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Es wird der ganze Mensch gefordert. Die ganze Zeit, die ganze Kraft, die ganzen Talente und die finanziellen Mittel 

Ich zitiere einige Sätze aus dem Monatsblatt der Zeugen Jehovas aus den 50er Jahren, der Zeit, als meine Eltern sich für diese Religion entschieden haben:

" müssen wir predigen. ...
müssen die Wahrheit verkündigen ...
müssen wachsam und unermüdlich tätig sein,
 müssen vorandrängen ...
"Die verbleibende Zeit ist verkürzt."...
Du musst bei den Versammlungen aufmerksam zuhören ... müssen uns auch vor den feinen Schlingen in acht nehmen ... die Vergnügungssucht oder der Materialismus. Vielleicht verleiten dich Überstunden-Entschädigungen dazu, den Dienst oder die Zusammenkünfte zu versäumen." (Zitat Ende)


Letzteres war in der Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders ein wichtiger Hinweis. Niemand sollte mehr Zeit dem eigenen materiellen Fortschritt widmen als dem Predigen.

Damals wie heute ist das einzige Ziel: Neumitglieder werben. In der Wachtturm-Sprache predigen genannt. Darunter versteht man nicht die Ansprache von einer Kanzel oder beim Gottesdienst, die ein theologisch geschulter Pastor oder Priester hält, sondern die Mehrung der Ressourcen der weltweiten Wachtturmorganisation. Jeder Neue ist eine Quelle von geldwertem Vorteil durch den Einsatz an freiwilligen Spenden, unbezahlter Arbeitszeit und kostenlosem Werbeeinsatz.

Die  dritte Stufe der Manipulation, Abschreckung vor Ex-Mitgliedschaft.

Ausstieg wird zu einer Frage der Loyalität die über Leben und Tod entscheidet. Sie wird für die Religionsgemeinschaft, gegenüber der Leitung gefordert. Die Unterwerfung ist ein Teil des öffentlichen Taufgelübdes. Jeder Einzelne hat sich daran zu halten, sowohl Freunde, Familienmitglieder und Verwandtschaft.

Die Lehre besagt, wer sich dieser Forderung nicht unterwirft, hat sich gegen Gott entschieden und ist abtrünnig.

Die Drohung mit Sünde, Schuld, Ängsten vor dem Einfluss der Dämonen und Vernichtung ist die Methode der Abschreckung.

Die wirksamste Form der Manipulation ist, die Bedrohung durch die totale Isolation, falls man mit dem sozialen Tod bestraft wird. Die Ansage ist eindeutig: Wenn Du nicht tust, was wir sagen wirst Du einsam sein. Es wird etwas Schlimmes passieren. Deiner Familie wird ein Unglück zustoßen. Du wirst krank werden, in die Kriminalität abrutschen, drogenabhängig werden oder spätestens in Harmagedon im Feuersee enden.

Vor allem Letzteres, führt nicht selten zu psychischen Problemen, Phobien, wahnhaftem Verhalten, Panikattacken, Depressionen und anderen posttraumatischen Belastungsstörungen.

Eine Mixtur aus Schuldgefühl und Selbstbezichtigung einerseits und dem Bedürfnis nach Harmonie und sozialer Nähe anderseits, erzeugt eine extreme innere Spannung. Nicht selten versuchen Betroffene dieser durch noch mehr Einsatz und Aktivität zu entgehen. Genau das ist jeweils der „Rat“, falls sich jemand  Hilfesuchend an einen Ältesten wendet. 

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Irgendwann ist alle Kraft aufgebraucht. Irgendwann kann man auch nicht mehr als Automat funktionieren. Irgendetwas führt zum Gemeinschaftsentzug und damit zu dem Supergau der als Schreckgespenst womöglich Jahrzehnte des Lebens begleitete. Der Totalverlust des gesamten bisherigen Lebens und der sozialen Gemeinschaft tritt ein. Auch die Familie geht verloren.

Ich habe es am eigenen Leib verspürt und weiß wovon ich rede.

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Ich zitiere aus dem WT vom 15.JULI 2011 S.28-31:

"12 Um Jehova zu gefallen, da sind wir uns sicher alle einig, müssen wir dem Gebot gehorchen, in jeder Hinsicht rein zu bleiben. ... Unsere Treue ... kann allerding auf eine schwere Belastungsprobe gestellt werden. Nehmen wir zum Beispiel an, der einzige Sohn zweier vorbildlicher Christen sagt sich von der Wahrheit los. ... Also wird dem jungen Mann die Gemeinschaft entzogen (...).
14 Eltern in dieser Lage haben unser tiefstes Mitgefühl. ...

15 Was werden unsere liebe Schwester und unser lieber Bruder jetzt tun? Werden sie auf die klare Anweisung Jehovas hören? Oder werden sie sich einreden, sie könnten ruhig weiter normalen Umgang mit ihrem ausgeschlossenen Sohn pflegen, weil es ja immer um "wichtige Familienangelegenheiten" gehe? ...

16 ... Die Botschaft ist eindeutig: Unsere Liebe zu Jehova muss stärker sein als die Liebe zu Familienangehörigen, ... . "


An Überheblichkeit kann dies kaum übertroffen werden. Die neuen Lehren des Sklaven müssen gehorsam geschluckt werden. Für die zerstörten Familien, die durch das Kontaktverbot verursacht werden, wird „tiefes Mitgefühl“ geheuchelt. Es wird behauptet, sie hätten „klare Anweisungen von Jehova“, die besagen, er erpresst den Gläubigen mit der Forderung: entweder Dein Familienangehöriger oder ich.

Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, das alles ist sehr subtil und höchst wirkungsvoll.

Das Fazit ist, Jehovas Zeugen sind nicht dümmer als der Durchschnitt der übrigen Bevölkerung. Sie hatten nur das Pech, zum falschen Zeitpunkt – als sie emotional dafür empfänglich waren – mit den falschen Leuten in Kontakt zu kommen.

Über das Gefühl kann der Verstand dazu gebracht werden, Neues ohne Prüfung zu übernehmen. Wenn es erst übernommen und in unserem Bewusstsein gespeichert ist, wird es als richtig anerkannt. Die Doktrin wird durch permanente Wiederholung und Beeinflussung in den Zusammenkünften und Versammlungsaktivitäten lebendig gehalten.

„Hineingeborene“ in einen destruktiven Kult haben zu allem Unglück keine Vergleichsmöglichkeit zu einem Leben außerhalb des Kultes. Selbst wenn sie extrem unter der Diktatur leiden, ist für sie eine Trennung unendlich schwierig. Sie bedeutet seelische Verletzungen, Gewissensnöte und den Verlust aller sozialen Bindungen zu ertragen. Das sind traumatische Erlebnisse, unter deren Folgen die Aussteiger oft noch Jahre zu leiden haben.

Darum gilt die erste Fürsorgepflicht den Kindern und Jugendlichen, die unter Religionsdiktaturen aufwachsen. Vor allem, wenn sie aussteigen, benötigen sie Hilfe und Aufmerksamkeit, die ihre Kulterfahrungen berücksichtigt.

Eine ausführliche Erklärung, wie die Manipulation nach dem BITE Modell von Steven Hassan bei den Zeugen Jehovas nachzuweisen ist, hat Oliver Wolsche veröffentlicht: 
https://www.oliverwolschke.de/das-bite-modell-und-zeugen-jehovas/?fbclid=IwAR0RKSCbazn9SPDZXPguZxa9JEdigyAbXPRHo1Afs90CyCc5jDiXKoPmJEE


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Die wahren Gründer der Wachtturm-Gesellschaft:

http://de.wikipedia.org/wiki/William_Henry_Conley